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/ EnigmA Amiga Run 1995 November / EnigmA AMIGA RUN 02 (1995)(G.R. Edizioni)(IT)[!][issue 1995-11][Skylink CD].iso / earcd / docs / gadget21.lha / AmigaGadget21 / Texte / lst.lit.DasSuperweib / lst.lit.DasSuperweib
Text File  |  1992-09-02  |  12KB  |  218 lines

  1. #Titel Lifestyle / Literatur / Das Superweib
  2. #Logo Gadget21:Pinsel/AG.Lifestyle
  3. #Font Losse 16
  4. #C31
  5.       Hera Lind : "Das Superweib"
  6. #Font topaz 8
  7.  
  8.  
  9. #C10
  10. Verlag  :   Fischer Taschenbuch Verlag               Genre   :   Roman
  11. ISBN    :   3-596-12227-9                            Preis   :   14.90 DM
  12.  
  13.                       Autorin :   Hera Lind
  14.                       Titel   :   Das Superweib
  15.  
  16. #C21
  17. Wir schreiben das Jahr 1995. Dies sind die Abenteuer eines männlichen
  18. "AmigaGadget"-Redakteurs, der auf der Suche nach Rezensionsstoff für die
  19. Literatursparte ist. Unerschrocken liest er das, was noch nie ein Mann zuvor
  20. gelesen hat - in der Reihe "Die Frau in der Gesellschaft" (!) ist (seltsam
  21. genug) ein wahrer Bestseller erschienen. Im letzten Jahr erstveröffentlicht
  22. hat sich "Das Superweib" der Kölner Autorin Hera Lind inzwischen über eine
  23. Millionen Mal verkaufen können, was selbst den "Spiegel" zu einem Bericht
  24. über die hauptberuflich als Sängerin agierende Autorin veranlaßte. Da kann
  25. das "AmigaGadget" natürlich nicht außen vor bleiben.
  26. #Seitenende
  27. Die Hausfrau Franziska Herr-Großkötter (34) führt ein zwar gesundes doch
  28. auch leicht frustiertes Leben. Ihre zwei kleinen Kinder, der vierjährige
  29. Franz und der noch jüngere Willi, halten sie mit ihren Eskapaden auf Trab -
  30. von der Mutter mit Kind-Turngruppe bis zum täglichen Fußweg zum Kindergarten
  31. oder in den Stadtwald. Ihr Mann, der bekannte Seifenopernregisseur Wilhelm
  32. Großkötter (Künstlername : Will Groß), tourt zumeist in der Karibik bei
  33. irgendwelchen Produktionen herum, besucht Frau und Kinder nur äußert
  34. sporadisch und liebt eher sich als seine Familie. Um eine größere Summe
  35. Geld an der Steuer vorbeizubringen, beauftragt er an einem Dezembertag seine
  36. Frau, bei einem Immobilienmakler ein Haus zu erstehen, woraufhin diese sich
  37. erstmal in den Friseursalon begibt. Hier lernt sie zufällig Frau Winkel
  38. kennen, die ihr einen Termin bei ihrem Sohn Enno, einem Immobilienfachmann
  39. und Scheidungsanwalt, verschafft.
  40.  
  41. #C10
  42. "Ich habe heute einen Maklertermin !" schrie ich.
  43. "Bitte ?"
  44. "Makler !! Ich soll ein HAUS KAUFEN !!"
  45. "Das ist aber eine schöne Aufgabe !"
  46. "Es geht !! Ich habe nur noch zehn Tage Zeit dazu !! Ich muß noch in DIESEM
  47.  JAHR das Haus kaufen ! Verstehen Sie ! Wegen der STEUER !!"
  48. "Teuer ? Ja, die Häuser in dieser Gegend sind teuer ! Wem sagen Sie das !"
  49. "STEUER ! FINANZAMT ! SCHWARZGELD UNTERBRINGEN !!"
  50. Ein paar andere Kunden reckten neugierig die Hälse. Lauro rupfte emotionslos
  51. an mir herum.
  52. #C21
  53.  
  54. Dieser erweist sich als sehr nett, stellt schnell und professionell seine
  55. Fragen und noch ehe Franziska es sich versieht, diktiert Dr. Winkel seiner
  56. Sekretärin ein Schreiben im wunderbarsten Amtsdeutsch. Gemeinsam faxen sie
  57. das fertige Schriftstück an Wilhelm Großkötter (in ein Hotel in der Karibik)
  58. - zur Information. Nachdem sie es sich wieder in ihren Sesseln bequem
  59. gemacht haben, erklärt Dr. Winkel, daß sie sich nun an den Immobilienkauf
  60. machen könnten, nachdem die Scheidung ja in die Wege geleitet wäre. Als die
  61. verblüffte Franziska nicht gleich antwortet, schwant dem Anwalt, daß das
  62. vielleicht nur auf einem Mißverständnis gewesen sein könnte und er
  63. vielleicht besser nicht ganz so professionell gehandelt hätte. Die Idee
  64. einer Scheidung gefällt Franziska jedoch hervorragend, so daß sie es dabei
  65. belassen. Lediglich um einige Notizen zum Eheleben bittet ihr
  66. Scheidungsanwalt und Immobilienverkäufer die künftig Geschiedene. Während
  67. sie sich im Laufe des Dezembers auch privat immer näher kommen (aus dem "Dr.
  68. Winkel wird Enno, die Mutter wird zur Alma mater), verfaßt Franziska ein
  69. dickes Bündel Geschichten aus ihrer Ehe.
  70.  
  71. #C10
  72. Wir tranken darauf die ganze Flasche Champagner leer. Dann küßte Herr Winkel
  73. mich wieder, leidenschaftlicher und feuchter und wirbelsäulenschädlicher als
  74. je zuvor.
  75. Das gehörte bei ihm anscheinend zum Service. Er freute sich eben ganz
  76. unbändig mit mir.
  77. "Sie müssen jetzt gehen", sagte ich, nachdem ich festgestellt hatte, daß er
  78. außer seinen beiden schon bekannten rehbraun gesprenkelten Augen ein
  79. weiteres auf der Stirn und eines auf dem Kinn hatte. Das auf dem Kinn war
  80. riesig und begann sich gerade zu verdoppeln.
  81. #C21
  82.  
  83. Ennos Mutter, die Alma mater, liest die Notizen und schickt sie heimlich an
  84. den Frauen-mit-Pfiff - Verlag in Hamburg. Als Franziska davon erfährt ist
  85. sie sehr erbost, beruhigt sich aber schlagartig, als Enno ihr eröffnet, daß
  86. der Verlag aus ihrem Manuskript ein Buch machen und dieses veröffentlichen
  87. wolle. Bei einem Besuch des Verlages legt sich Franziska nicht nur das
  88. wahrlich einfallsreiche Pseudonym Franka Zis zu, sondern findet auch eine
  89. Liebe aus der Vergangenheit wieder. Um das Glück zu komplettieren, stellt
  90. sich auch noch heraus, daß das Haus gegenüber der Villa von Enno und seiner
  91. Mutter frei steht. Franziska zögert nicht lange, erwirbt das Haus und zieht
  92. ein. Nun hat sie ihren Scheidungsanwalt, Karrieremanager und
  93. Gelegenheitsliebhaber Enno, der darüber hinaus begeisterter Technik-Freak
  94. ist, Franziska mithin ständig mit den neusten Produkten der
  95. Unterhaltungselektronik und Telekommunikation versorgt, sowie dessen Mutter,
  96. die sich als hervorragende, beliebte und kostenlose Babysitterin entpuppt,
  97. immer in nächster Nähe. Lediglich der Verkauf ihres Buches läßt sich eher
  98. schleppend an - bei einem Probekauf in der vor Ort gelegenen Buchhandlung
  99. kennt die Verkäuferin nicht nur nicht den Titel, sondern muß auch erst ein
  100. Exemplar beim Verlag bestellen (gegen Vorkasse). Franziska ist frustriert,
  101. aber dank Ennos Engagement kommt die Sache langsam ins Rollen - und
  102. Franziska zu ersten Leseabenden in der Provinz.
  103.  
  104. #C10
  105. Enno ließ von seinem Paket ab und sah mich durchdringend an.
  106. "Dagegen müssen wir angehen."
  107. "Du meinst, rechtlich ?" Augenblicklich versiegten der launischen Diva die
  108. selbstmitleidigen Tränen.
  109. Ich stellte mir vor, wie Enno am nächsten Tag mit meiner weinenden Wenigkeit
  110. am Schlafittchen in den Buchladen treten und "Haben SIE meine Mandantin
  111. beleidigt ?" brüllen würde. Er würde die stotternde und errötende Buchmaid
  112. über ihre Aussageverweigerungsrechte belehren und den Geschäftsführer kommen
  113. lassen. Diesem würde er dann in amtlichen Worten die Sachlage darlegen und
  114. ihn unter Androhung von rechtlichen Konsequenzen zwingen, meine Bücher zu
  115. Hunderten ins Schaufenster zu legen, zu kunstvollen Türmen zu stapeln, auf
  116. die Treppe zu drapieren und außerdem jedem einzelnen Kunden einen - natürlich
  117. von ihm, Enno, selbst computerlaserdruckermäßig erstellten - Handzettel
  118. auszuhändigen, auf dem zu lesen stände, daß die Erfolgsautorin Franke Zis
  119. soeben ihren Erstling auf den Markt katapultiert habe und daß jeder
  120. Bundesbürger mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müsse, wenn er es nicht
  121. sofort kaufe.
  122. #C21
  123.  
  124. In der Zwischenzeit ist ihr Noch-Ehemann heimgekehrt und kündigt ihr voller
  125. Stolz ein neues Filmprojekt an, bei dem er Regie führen würde. Er habe just
  126. die Filmrechte zu einem ganz heißen Romanstoff erstanden - "Ehelos
  127. glücklich" von einer gewissen Franka Zis. Erst langsam dämmert ihm, daß das
  128. Buch, über das er sich eben noch königlich amüsiert hatte, nichts anderes
  129. als die Beschreibung seines eigenen Ehelebens ist. Und damit nicht genug -
  130. nun muß der große Regisseur und Künstler auch noch mit seiner Frau gemeinsam
  131. das Drehbuch ausarbeiten, eine Belastung, die schwer auf sein Ego drückt.
  132. Franziska hingegen fühlt sich mit der neu gewonnen Freiheit immer wohler.
  133. Als sie auch noch den Kinderbuchautor Papai kennenlernt, scheint für sie der
  134. Himmel auf Erden wahr geworden zu sein. Doch dann beginnt die hektische
  135. Verfilmung ihres inzwischen zum Bestseller avancierten Buches, der
  136. Scheidungstermin rückt immer näher und sie muß eine Entscheidung über ihre
  137. private Zukunft treffen.
  138.  
  139. #C10
  140. Meine Lesereise führte mich noch in weitere süddeutsche Kleinodien :
  141. Kornweschtheim, Ludwigschburg, Tübinge, Reutlinge, Waiblinge, Böblinge,
  142. Nürtinge, Esslinge, Pfullinge, Korntal-Münchinge, Nellinge,
  143. Neckar-Tenzlinge. [..] Das Lösen einer Fahrkarte am Automaten ging mir bald
  144. in Fleisch und Blut über. Nach kurzer Zeit hatte ich sogar den Trick raus,
  145. für nur zwei Mark fünfzig Zuschlag erster Klasse zu reisen. Ich lehnte
  146. entspannt in meinem Nichtraucher-, Nicht-Kaugummikauer-, Nichtspucker- und
  147. Nichthuster-Elitewaggon, genoß die Aussicht auf schwäbische Kühe, Häusle und
  148. Hügel und fand, daß kein Müttergenesungswerk dieser Welt besser zu meinem
  149. Wohlbefinden hätte beitragen können.
  150. #C21
  151.  
  152. "Das Superweib" gibt sich zwar äußerlich als feministisches Buch (mit allem,
  153. was wohl so dazu gehört : Veröffentlichung in der Reihe "Die Frau in der
  154. Gesellschaft", furchtbar häßliches, pseudo-modernes Cover, kämpferischer
  155. Klappentext ("So blind sind die Männer !"), etc.) ist aber letztlich "nur"
  156. eine ganz hervorragende Komödie, die für Angehörige beider Geschlechter viel
  157. zu Lachen bieten dürfte. Das 400 Seiten starke Taschenbuch ist komplett in
  158. der ersten Person geschrieben (wenn die widerstreitenden Gefühle Franziskas
  159. beschrieben werden, treten die "Hypophysenmädels" in ihrem Kopf in Aktion),
  160. was es Hera Lind ermöglicht, wunderbar subjektiv an die Geschichte
  161. heranzugehen und von Zeit zu Zeit auch mehr oder weniger unverhüllt eigene
  162. Kommentare abzugeben. Gelegentlich fällt sie dabei in feministische aber
  163. auch in manche hoffnungslos romantische Schwärmereien, gelegentlich wälzt
  164. sie auch eher weniger interessantes breit aus, im weitaus größten Teil des
  165. Buches läßt sie jedoch ein satirisches Feuerwerk auf den Leser
  166. herabprasseln, das weder Frauen noch Männer noch sich selbst ungeschoren
  167. davonkommen läßt. Gleichzeitig parodiert sie aktuelle Erscheinungen wie die
  168. Seelenstriptease-Talkshow im Fernsehen, die Fülle überflüssiger Magazine
  169. ("Rosa Blatt", "Gedeih und Verderb", Wir Frauen",...), die hohlen
  170. Versprechungen der Werbung und die Überflutung mit immer neuer Technologie.
  171. Das geschieht nicht immer überwältigend intelligent doch stets zur
  172. Situation passend und zu einem Schmunzeln anregend.
  173.  
  174. #C10
  175. Beifallheischend gab ich ihm eine Szene zu lesen, die Wilhelm und ich unter
  176. großem Gelächter am Vormittag entworfen hatten. Wir empfanden sie beide als
  177. bisherigen Höhepunkt des Geschehens.
  178. Das Kino würde unter Lachsalven schier auseinanderbersten. Fanden wir. Enno
  179. überflog die Szene und lachte herzlich. Ich war glücklich. Enno hatte
  180. tatsächlich einen Sinn für meinen Humor - und mehr noch : Er hatte ehrliches
  181. Interesse an meinem Geschreibsel !
  182. "Du lachst", freute ich mich. "Sag mir bitte, was du an der Szene besonders
  183. witzig findest."
  184. "Du hast die Trennhilfe nicht benutzt", gluckste Enno unter Lachtränen.
  185. #C21
  186.  
  187. Hera Lind benutzt vorwiegend sehr kurze Sätze, was das Buch leicht lesbar
  188. macht und sich auf die Dialoge äußerst positiv auswirkt, die dadurch sehr
  189. lebendig und realistisch wirken. Geschickt wählt die Autorin auch ihre Worte
  190. - wenn ein Akteur statt einfach einen Satz zu "sagen", ihn "brüllt", hat sie
  191. zumindest den Überraschungseffekt (und die Situationskomik) auf ihrer Seite.
  192. Obwohl "Das Superweib" nicht in einzelne Kapitel aufgeteilt wurde (zack !)
  193. verliert man nicht die Übersicht - was am klaren, durchstrukturierten
  194. Handlungsverlauf, der jedoch leider auch etwas leicht zu durchschauen ist,
  195. liegen dürfte. Ein paar Dinge ist "Das Superweib" auf keinen Fall (und will
  196. es wohl auch nicht sein) : 1. Ein feministischer Roman.
  197.                            2. Ein anspruchsvoller Roman.
  198.                            3. Große Literatur.
  199. Wer darauf auch nicht unbedingt Wert liegt, bekommt einen mit viel Ferve und
  200. Charme geschriebenen Roman, der viele Seitenhiebe gegen jedermann und -frau
  201. enthält, leicht zu lesen ist, bis zur letzten Seite fesseln kann und
  202. den man sicherlich auch noch gerne ein zweites Mal zur Hand nimmt, um
  203. weitere kleine Gemeinheiten der Autorin aufzuspüren, die man beim ersten Mal
  204. übersehen hatte. Zum Schluß sei noch angemerkt, daß Lind wohl trotz aller
  205. gegenteiliger Beteuerungen durchaus autobiographisches in den Roman hat
  206. einfließen lassen (alleine die Ähnlichkeiten zwischen Franziska
  207. Herr-Großkötter und ihrer Schöpferin und die Widmungen zwingen einem diesen
  208. Schluß schon auf), daß der Nachfolgeroman "Die Zauberfrau" schon in den
  209. Startlöchern sitzt/liegt/steht und daß "Das Superweib" (wie schon ihr
  210. Debütroman "Ein Mann für jede Tonart") verfilmt wurde und demnächst im
  211. Kino erscheinen wird. Mrs. Worf : Energie !
  212.  
  213. #Pinsel gadget21:pinsel/an rechts
  214.  
  215. #C10
  216. Alle Personen und Handlungen dieses Romans sind völlig frei erstunken und
  217. erlogen. Ehrlich.
  218.